Sexismus – Wieso Catcalling kein Kompliment ist
- Marnie Menkens
- 13. Juni
- 3 Min. Lesezeit
AKTIONSTAG - Gleichstellungsbeauftragte und VKP über Hinterherpfeifen und Kussgeräusche
„Nimm es doch als Kompliment!“ – „Es war doch nett gemeint.“ – „Freu dich doch.“ Sätze, die insbesondere Frauen immer wieder hören, wenn sie auf der Straße verbal belästigt werden. Seit einigen Jahren haben das Hinterherpfeifen, Anhupen, Kussgeräusche, aufdringliche Blicke und obszöne Gesten einen Namen: Catcalling. Und nein – Catcalling ist kein Kompliment, stellen Nicole Biela, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, und Marnie Menkens, Geschäftsführerin des VKP (Verein für Kommunale Prävention gegen Gewalt), entschieden klar.
Aufdringlich und herabwürdigend
„Beim Catcalling geht es um Sexualisierung, um Machtausübung. Der Täter reduziert sein Gegenüber auf das, was er sieht und nimmt sich das Recht raus, die Person obszön anzuquatschen. Es ist aufdringlich und herabwürdigend.“ Wer Catcalling als Kompliment sieht, verstehe oft nicht, was dahintersteckt. „Das ist Normalisierung von Sexismus. Es trägt zur Objektifizierung von Menschen bei und fördert ein Klima, in dem übergriffiges Verhalten bagatellisiert wird“, so Menkens. „,Geiler Arsch’ ist erstmal etwas Positives“, ergänzt Biela, „doch die Dynamik dahinter wird nicht gesehen.“ Betroffene werden unsicher, meiden bestimmte Orte, gehen nachts nicht raus und ziehen sich anders an, um nicht belästigt zu werden. „Das hat nichts mehr mit Selbstbestimmung zu tun!“, so Menkens. „Diese Sexualisierung sollte nicht normal sein.“ Laut Studien haben fast jede Frau (89 Prozent) und nahezu jeder dritte Mann bereits Catcalling erlebt.
Kein eigener Straftatbestand
Meist seien diese Männer aber aus dem queeren Spektrum, so Biela, also beispielsweise homosexuell oder Trans, weil diese nicht dem patriarchalen männlichen Rollenbild entsprechen. Der Täter hingegen ist in der Regel genau ein solcher Mann. Viel erschreckender jedoch für die beiden Frauen: Opfer sind auch Jugendliche und Kinder.
Noch immer ist Catcalling in Deutschland nicht als Straftatbestand verankert, auch wenn es einige Vorstöße gibt, erklärt die Gleichstellungsbeauftragte. „Bislang kann Catcalling nur dann verfolgt werden, wenn damit eine Beleidigung verbunden ist oder zusätzlich eine sexuelle Berührung stattgefunden hat.“ So wurde vor wenigen Jahren ein 65-Jähriger freigesprochen, obwohl er ein elfjähriges Mädchen aufforderte, ihm ihre Genitalien zu zeigen. „Hätte er sie ‘Dumme Kuh’ genannt, hätte er sich strafbar gemacht“, ergänzt Biela ungläubig. „In anderen Ländern gibt es bereits Gesetze, die Catcalling unter Strafe stellen. In Frankreich drohen beispielsweise Bußgelder von bis zu 750 Euro für verbale Belästigung im öffentlichen Raum.“ Sie fordert in Deutschland ein ähnliches Gesetz, um ein klares Zeichen gegen Alltagssexismus zu setzen.

„Stiller Hilferuf“ als Hilfezeichen
Marnie Menkens hätte sofort mehrere Beispiele von Catcalling parat. Für sie hilft insbesondere eines: ignorieren. Wer es sich zutraut, kann auch klare Grenzen setzen, wenn die Situation nicht zu brenzlig ist. Sich Hilfe bei Passanten zu suchen und mit Vertrauten über die Situation zu reden, kann helfen, das Erlebte zu verarbeiten. Wer im öffentlichen Raum Hilfe braucht, aber nicht rufen kann oder möchte, kann den „Stillen Hilferuf“ nutzen. Das ist ein internationales Hilfezeichen, das seit April 2020 als Zeichen für häusliche Gewalt oder auch Notgeste steht, erklärt Menkens.
Die Hand, die entweder erhoben oder hinter den Rücken gehalten wird, zeigt mit der Innenfläche zum Gegenüber, der Daumen steht erst ab. Dann wird der Daumen in die Handfläche geklappt und die restlichen Finger drüber gelegt. Wird das Zeichen wiederholt, werden die vier Finger immer wieder geöffnet und geschlossen.
Wer das Zeichen sieht, sollte aber überlegt handeln. „Je nach Situation kann die Person angesprochen werden“, so Menkens. Dabei könne man entweder direkt fragen, ob alles in Ordnung ist, oder ein ungezwungenes Gespräch beginnen. Manchmal sollte man auch direkt die Polizei rufen. „Wir müssen nicht den Helden spielen, nur hinsehen.“
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